Gewinner der Karl Max von Bauernfeind-Medaille 2016
Intelligenz, Formen und Künste
fatum 4 | , S. 11
Inhalt

Was ist das: Intelligenz, Formen und Künste?

Was ist Kunst?

Es gibt nur eine Frage, die noch schlimmer ist: Warum kostet Kunst so viel? Beide Fragen führen sonstwohin, nur nicht zur Kunst.

Kunsthandwerk, folkloristische Kunst, Streetart, Bastelkunst, Kinderkunst, Zeitgenössische Kunst – jeder Mensch ist ein Künstler, im Beuys’schen Sinne als Mitarbeiter an der Gesellschaft, als Soziale Plastik – Hobbykunst, Privatkunst, museale Kunst, Art Brut, Kochkunst – der Begriff Kunst ist nicht geschützt.

Ich nehme mal an – denn alles andere würde weniger Fragen aufwerfen – Sie wollen von mir wissen, was die Zeitgenössische Kunst ist.

Jedes zeitgenössische Kunstwerk gibt ein eigenes Bild dessen, was Kunst sein könnte. Jedes Kunstwerk beantwortet die Frage für sich selbst.

Im dem Moment, in dem Kunst definiert ist, ist sie bereits keine mehr, denn Kunst beschreibt einen offenen Prozess der Suche und ist damit in jedem Moment etwas anderes. Somit ist Kunst stark mit der Zeit verknüpft, innerhalb derer sie produziert und gelesen wird.

Seit die Kunst nicht mehr der Religion verpflichtet ist oder mit der reinen Abbildfunktion verwechselt wird, ist die Kunst einem grundlegenden Wandel unterzogen. Schon lange wird der Suche nach Wahrheit der Vorzug gegenüber der Suche nach Schönheit gegeben. Immer neue Möglichkeiten und Techniken der Wahrheitssimulation aber auch des Scheins im Dienste der Wahrheit entfalten sich.

Kunstwerke funktionieren nicht über das Erkennen, Wiedererkennen oder über kognitives Wissen (allein). Der Zugang zum Kunstwerk findet sich irgendwie – oder auch nicht – jedenfalls nicht nur über das Denken. Es ist ein Prozess des Herantastens und Erspürens – sogar ein lebenslanger Prozess.

Um die gestellte Frage anekdotisch zu beantworten: Im Zug traf ich einen Kunstsammler. Auf die Frage, welche Kriterien für ihn beim Sammeln wichtig seien, sagte er mir, er frage sich jedes Mal: Kann das fliegen?! Ich kann das gut verstehen. Für den einen ist es das Transzendieren, für den anderen die Erinnerung, für wieder jemand anderen ist es die Freude am Ungewissen oder die Freiheit. Für die Gesellschaft ist es eine produktive Quelle der Inspiration, der Reibung und der Erneuerung.

Jedes Kunstwerk verlangt nach seiner eigenen Technik. Es gibt keine Technik wie im Kunstgewerbe, womit die Kunst oft verwechselt wird. Kunstwerke können etwas öffnen, einen neuen Raum aufmachen. Dazu kann es helfen, so zu schauen wie ein Astronaut auf einem fremden Planeten. Kunst schafft diese neuen Sichtweisen, aus denen sich neue Visionen und Bilder entwickeln lassen. Im Kunstwerk fällt die Analyse mit dem visuellen Endergebnis zusammen: Die Analyse von einem Ausschnitt der Wirklichkeit, die wiederum (durch das Kunstwerk) eine neue Wirklichkeit in die Welt setzt.

Eine gute künstlerische Arbeit besteht nur zu einem Teil aus der genauen Beobachtung. Es kommt noch ein Teil Neues und Ungeahntes mit hinzu. Kunst beinhaltet immer das Wahrnehmen und Reflektieren über das eigene Sein und über die eigene Wahrnehmung. Die Kunst bedient sich der Freiheit und stellt sie her. Kunst stellt Fragen und legt Ahnungen, Assoziationen oder Gefühle frei. Sie verweigert eindeutige Lesbarkeit und verunsichert. Kunst ist Unsicherheit. Darin liegt ihre virtuelle, virulente, aber auch ihre visionäre Kraft. Im Kunstwerk kann die Person spürbar werden – genau genommen sind es zwei: die des Künstlers und die des Betrachters.

Um diesen Text persönlich zu beenden: Wenn ich schon weiß wie es geht, habe ich mein Ziel verfehlt. Als Künstlerin kann ich immer nur wieder von vorne anfangen.


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