Gewinner der Karl Max von Bauernfeind-Medaille 2016
Dialog
fatum 5 | , S. 37
Inhalt

Über die technologisch inszenierte Welt

Ein Gespräch mit Norbert Bolz

Norbert Bolz ist seit 2002 Professor für Medienwissenschaft am Institut für Sprache und Kommunikation der Technischen Universität Berlin. Er ist bekannt für seine intellektuelle Wanderlust, seine kontrovers diskutierten Thesen, sowie seine scharfsinnigen philosophischen Zeitdiagnosen der Gegenwart, die sich vor allem der medialen Vermittlung und Manipulation von Wirklichkeit widmen. Seine Mission besteht, ganz in philosophischer Tradition, in der Analyse und Konzeption der Gegenstände und Begriffe von Medienphänomenen der Postmoderne. Für sein Werk Die ungeliebte Freiheit. Ein Lagebericht erhielt er 2011 den Tractatus-Preis für philosophische Essayistik.

An einem Freitag um 12:00 Mittag stehen wir vor Norbert Bolz’ Büro im vierten Stockwerk des TU Gebäudes an der Straße des 17. Juni in Berlin. An seiner Tür hängt ein Zitat von Wittgenstein. Nach dem Interview schwärmt er: Auf sowas müsste man mal kommen. Er selbst ist ein Verfechter prägnanter und präziser Formulierungen. Eine Begabung, die er unter anderem auch für seinen Twitteraccount nutzt.

fatum: Herr Professor Bolz, wir sind nach Berlin gereist, um mit Ihnen über das Thema „Dialog“ zu sprechen. Immer öfter bevorzugen InterviewpartnerInnen ein Video-Interview. Wäre Ihnen das eigentlich auch lieber gewesen?

Norbert Bolz: Nein, auf keinen Fall. Gerade weil ich mich in meinem Fach Medienwissenschaften intensiv mit den Möglichkeiten der Computersimulation beschäftige, glaube ich, dass die Kompensation der Digitalisierung unserer Wirklichkeit immer wichtiger wird. Tatsächlich wird es immer mehr um persönliche Präsenz gehen, also das, was in ästhetischen Zusammenhängen George Steiner Real Presences genannt hat. Schlicht die These: je selbstverständlicher die Digitalisierung aller Lebensverhältnisse und Virtualisierung aller Erfahrungsräume wird, umso größer wird die Attraktivität, ja selbst die Notwendigkeit, einer kompensatorischen Erfahrung – nämlich die von Realpräsenz. Das gilt nicht nur für den persönlichen Dialog. Denken Sie ganz simpel an den Besuch eines Popkonzerts. Die Musik hört man per Kopfhörer tausendmal besser, aber man will das Erlebnis haben, man will durch persönliche Präsenz dabei sein. Die Bedeutung dessen wird immer wichtiger.

fatum: In Ihrem Werk Das ABC der Medien meinen Sie, dass die Frage Wollen wir die Digitalisierung? aus technikdeterministischen Gründen nicht mehr sinnvoll zu stellen ist. Sprechen Sie damit auch dem Dialog jedmögliche Einflussnahme ab? Was bedeutet das für den Dialog?

Norbert Bolz: Nein, selbstverständlich nicht. Ich will damit nur darauf hindeuten, dass Digitalisierung der Endzustand eines Prozesses ist, der seit Jahrhunderten abläuft. Rationalisierung, vor allem aber auch Technisierung, Formalisierung oder auch Algorithmisierung: das sind viele Namen ein und desselben Prozesses, der nicht gestern begonnen hat, sondern schon vor Jahrhunderten mit dem Beginn der modernen Welt. Das große Thema von Edmund Husserl übrigens war genau dieser Prozess der Formalisierung und Technisierung. Gegen diesen Prozess ist kein Kraut gewachsen und wir wollen es ja auch gar nicht anders, denn hier liegt das Geheimnis von Weltbeherrschung und souveränem Umgang mit den Weltgegenständen. Aber das hat eben auch seinen Preis: Technik ist längst nicht mehr nur instrumentell zu verstehen, im Sinne von einem Werkzeug, das die Menschen benutzen oder nicht. Technik hat ihre eigene Evolution, an die wir uns genauso anpassen müssen wie an andere Umweltbedingungen. Das hat manchmal auch ein erschreckendes Gesicht, denn man hat gar nicht mehr die Möglichkeit des Neinsagens. Modernität hat immer ihren Preis.

fatum: Sie sind regelmäßiger Twitternutzer und untertiteln Ihr Profil mit dem Slogan Die Wahrheit in einem Satz. Die Ironie ist recht eindeutig. Doch sind medienkritische Dialoge überhaupt möglich und sinnvoll, wenn sie über das kritisierte Medium selbst geführt werden?

Norbert Bolz: Die Möglichkeiten der Medienkritik sind extrem begrenzt, es sei denn, man verwendet einen anderen Begriff von Kritik, nämlich den von Immanuel Kant. Es geht dabei nicht um Neinsagen oder Protest, sondern um Grenzbestimmung. Was sind die Potenziale von Medien, und was können bestimmte Medien nicht? Das wäre so eine Grenzbestimmung, die natürlich sehr wohl möglich ist, nicht nur innerhalb der Medienwissenschaften, sondern auch in ganz normalen publikumswirksamen Medien. Polemik gegen die Medien kann von den Medien sehr schnell gestoppt werden. Also in der Tat besteht die Paradoxie jeder Medienkritik im Sinne von Polemik oder Protest darin, dass sie nirgendwo anders erfolgreich stattfinden kann als in den jeweils kritisierten Medien. Insofern gebe ich dem nicht allzu viele Chancen, vor allem weil diese Medienkritik, wenn sie sich hin und wieder artikuliert, eigentlich gar nicht auf dem technischwissenschaftlichen Niveau unserer Zeit ist, sondern meistens aus Ressentiment geführt wird. Also wenn man gerade den neuen Medien etwa unterstellt – Stichwort „digitale Demenz“ –, sie würden zu einer Kollektivverblödung führen, dann ist das eigentlich unterhalb des Niveaus.

Der Twitteraccount hat für mich auch noch eine etwas andere Funktion, weil, wie Sie ja richtig sagen, das ja selbstironisch gemeint ist: Natürlich weiß jeder, dass Wahrheit nicht in einen Satz zu bringen ist. Aber ich möchte natürlich auch das Gegenteil dessen machen, was andere Twitternutzer tun, denn Twitter ist ja ein Kommunikationsmedium, in dem man gerade nicht reflektiert oder gerade nicht scharf formuliert. Ich fand die Idee, mit 140 Zeichen irgendetwas Sinnvolles zu formulieren, das zu Reflektion anregt, unglaublich reizvoll.

Blick von unten durch ein symmetrisches Treppenhaus.
Treppenhaus der TU Berlin, Bild: Verena Zink

fatum: Heutzutage scheint es, dass sich die ontologische Bedingung einer Person immer stärker in der Vernetzung manifestiert. Ist Dialog heute nur noch Bedingung zur Existenz, aber nicht mehr dazu da, um wichtige Information auszutauschen? Oder interagieren wir heute nur um der Interaktion willen?

Norbert Bolz: Information und Austausch ist schon mal gar nicht dasselbe. Allein das berühmteste aller Stichworte unserer Zeit – „soziale Medien“ – signalisiert ja eines sehr deutlich: Es geht gar nicht primär um Information, sondern es geht um Kommunikation. Das sind sehr unterschiedliche Dinge. Das Um-seiner-selbst-willen-Kommunizieren halte ich auch für eine richtige Diagnose, aber im Sinne einer Apologie der kommunikativen Lust. Mittlerweile sind Soziologen ja schon dazu übergegangen, unsere gesamte Gesellschaft durch Kommunikationsprozesse zu analysieren oder zu rekonstruieren. Menschen kommunizieren selten, um Informationen zu übertragen, sondern um soziales Feedback zu bekommen und einfach zu kommunizieren, weil es Spaß macht. Das darf man nicht unterschätzen. Meistens geht die Informativität von Kommunikationsprozessen gegen null. Ich mache das den Studenten immer wieder daran klar, dass das Informativste, was es überhaupt gibt, das Telefonbuch ist – das interessiert aber eigentlich niemanden – und dass das, was die meisten Leute interessiert, nämlich sich mit der eigenen Freundin oder dem eigenen Freund zu unterhalten, den Informationsgehalt gegen null gehen lässt. Da wird so gut wie nichts an Information ausgetauscht. Das nennen Kommunikationswissenschaftler Redundanz. Aber gerade das ist schön, gerade das möchte man ja, und das ist eine der Berufsblindheiten der Kommunikations- und Medienwissenschaften: bei Kommunikation wird meistens an Informationsaustausch gedacht. Das spielt natürlich auch eine Rolle, der Zauber von Kommunikation lässt sich so aber nicht verstehen.

fatum: In Ihrem Essay Wer hat Angst vor der Philosophie kritisieren Sie die antiphilosophische Signatur unserer Bildungsanstalten, die durch ihre Studienpläne den Geist sanieren und das Denken in Stromlinienform bringen. Zusätzlich sind wir ganz undurchsichtigen Einflüssen neuer Medientechnologien wie Facebook und Google ausgesetzt. Sie plädieren für mehr Einsamkeit. Sollten wir uns also alle von unseren Accounts abmelden oder uns gar nicht erst welche zulegen?

Norbert Bolz: Das ist natürlich eine rhetorische Frage, denn Sie wissen natürlich, dass die Antwort nur Nein lauten kann. Aber darum geht es bei Einsamkeit auch gar nicht. Ich fand immer einen Begriff sehr schön und einleuchtend, den Odo Marquard geprägt hat: Einsamkeitsfähigkeit. Einsamkeit hat überhaupt nichts mit allein sein zu tun, einsam kann man inmitten von sehr vielen Menschen sein. Wenn man es auch noch als Fähigkeit betrachtet, die nicht jedem gegeben ist und die man vielleicht trainieren und üben muss, dann bedeutet das ja, dass man irgendwann mal in der Lage ist – und das vielleicht auch habitualisiert – Zeit zu finden, um selbst zu denken: auch wieder ganz kantianisch, dich deines eigenen Verstandes ohne die Hilfe der anderen zu bedienen. Das bedeutet auf der einen Seite, dass es dir irgendwie mal gelingen muss, einen Schritt rauszutreten aus der alltäglichen politischen Korrektheit, die alles determiniert, was heute denken und sprechen heißt, und auf der anderen Seite aber auch tatsächlich Distanz zu schaffen zu den Medien, die einen zum Mitmachen zwingen. Aber so, wie man Kritik im Sinne von Grenzbestimmung denken kann, so kann man auch hier die Möglichkeit der Distanz nutzen. Distanz heißt ja nicht, ich nutze es gar nicht, das wäre lächerlich, denn das wäre Botho Strauß’sche Mecklenburg-Vorpommern-Zurückgezogenheit. Das können sich vielleicht noch die zwei letzten Dichter Deutschlands erlauben, aber kein normaler Mensch. Es geht nicht ohne diese neuen Medien, aber man kann Distanz dazu halten. Ich glaube, wenn man das nicht macht, ist man verloren, auch wenn man noch so aalglatt in alle möglichen Businesspositionen hineinrutscht. Letztendlich denke ich, ist das Leben nur lebenswert, wenn man sich ein eigenes Bild von seinem Leben und seiner Welt machen kann, und das setzt Nachdenken voraus. Und Nachdenklichkeit ist etwas, das über die neuen Medien nicht gefördert wird, da muss man ganz offen sein.

fatum: Sie haben in einem Interview einmal gesagt In einer Welt der Simulation wird das Reale zur Obsession und Es gibt es keine Realität jenseits der Medienwirklichkeit. Wie geht das zusammen?

Norbert Bolz: Wir sind besessen von der Idee des Realen und zwar gerade deshalb, weil es das nicht gibt. Unsere Welt ist in unaufhebbarer Weise technologisch inszeniert. Das führt auch ein bisschen zurück auf diese Husserl-Anspielung von vorhin: seit Jahrhunderten leben wir in einem Prozess der Formalisierung, Technisierung, Algorithmisierung und heute heißt das einfach a priori der Medien. Den Zugang zur Welt, den finden Sie überhaupt nur durch mediale Vermittlungen. Wenn man das erst mal erkennt und sieht, dass die Medien einige Schritte noch weiter machen wollen, nämlich weil sie sagen, wir bauen dir die Welt komplett auf, ohne Kontrollinstanz – und genau das meint ja Simulation – dann versteht man auch, dass die Sehnsucht nach dem wirklich Wirklichen immer mächtiger wird. Das erkennen Sie an Stichworten, auch gerade der Jugendkultur, wie „Authentizität“ oder „Echtheit“: Das ist genau das, was es nicht mehr gibt. Alles ist, wie der amerikanische Wissenschaftler Dean McCannell im Kontext der Tourismusanalyse einmal gesagt hat staged authenticity, inszenierte Authentizität. Aber das Begehren nach dem wirklich Wirklichen wird natürlich immer größer, je weiter die Prozesse der Virtualisierung und Digitalisierung voranschreiten.

Ein Bild und ein Zitat von Wittgenstein an der Bürotür von Professor Bolz.
Bürotür von Prof. Bolz, Bild: Severin Engelmann

fatum: Sie hatten vorher bereits die Entwicklung der Formalisierung aller Lebensbereiche genannt, die so charakteristisch für die Digitalisierung ist. Ein Beispiel davon ist sicherlich Facebook, das Daten zu sozialen Interaktionen erhebt und diese an Vermarkter verkauft. Welchen Einfluss hat die Kapitalisierung immaterieller Güter auf die Art und Weise, wie wir miteinander interagieren?

Norbert Bolz: Das ist sicher die wichtigste, aber auch schwierigste Frage, denn wir gehören zu den ersten Generationen der sozialen Netzwerke und Suchmaschinen. Sie sagen ganz richtig, dass die Sphäre des bisher Privaten, Subjektiven oder sogar der Gefühle messbar gemacht wird. Bestimmte Dinge haben dadurch ihren Bedeutungsgehalt längst eingebüßt. Wie etwa der Begriff der Freundschaft. Wenn wir es mittlerweile mit der Selbstverständlichkeit zu tun haben, dass Menschen sich mit einer Hundertschaft von Freunden rühmen, weiß man auf jeden Fall eines: Mit dem, was man noch vor 20 Jahren unter Freundschaft verstanden hat, kann das nichts zu tun haben. Das kann nur zu einer Abflachung führen. Auch das muss man nicht unbedingt kulturkritisch sehen. Gerade deshalb, weil gesellschaftliche Erfolgschancen gar nicht primär an Freundschaften hängen, sondern an Bekanntschaften. Das war einer der ersten Einsichten der Netzwerktheorie, die auf den amerikanischen Soziologen Mark Granovetter zurückgeht. Wenn das so ist, dass die sogenannten „weak ties“ die eigentlich Informationsstarken sind, dann muss man sagen, sind die Leute auf dem richtigen Weg, die hundert „Freunde“ haben, statt wie früher es mit den dreien oder vieren zu probieren, die einen so viel Zeit und Nerven kosten. Für mich ist Kultur ein Nullsummenspiel. Es gibt unendliche Verluste, aber eben auch unendliche Gewinne. Und wenn man nicht kulturpessimistisch an die Sache rangeht, muss man versuchen zu verstehen, was passiert, ohne gleich zu bewerten. Das ist jedenfalls der Versuch, den ich mache.

fatum: Sie beklagen den normativen und tabuisierenden Effekt von political correctness. Kommen wir dadurch nicht in einen Teufelskreis? Ist Dialog ohne normatives Element überhaupt möglich?

Norbert Bolz: Es gibt Erfahrungen, die mich nicht völlig pessimistisch machen, was die Entwicklung der Diskussionskultur betrifft. Ein ganz konkretes Beispiel, das ich nie vergessen werde: Berufungskommission zu einer C4-Stelle, das ist für eine Universität sehr viel. Da geht man so rein, man hat vorher mitgekriegt, wer sich beworben hat, und hat dann auch seinen Kandidaten: Ah, den kenn ich, der ist wirklich gut! Mein Kandidat hält seinen Vortrag: sehr gut. Dann kommt ein Kandidat, von dem noch nie jemand so richtig was gehört hatte – und ist brillant. Am Ende, das wird man kaum glauben, haben alle in der Kommission gesagt: Der ist wirklich der Beste. Alle konnten zurücktreten von ihrem eigenem Kandidaten. Ich würde gerne sagen, das ist typisch. Doch das ist leider sehr untypisch für die Universität, aber die Erfahrung, die ich damals gemacht habe, ist: Das gibt es. Ich kann über meine eigenen Vorurteile hinwegsehen, ich kann es anerkennen, wenn jemand etwas kann. Die Gegenerfahrung war dann, als ich Vorsitzender einer Berufungskommission hier an der TU Berlin war. Bei der ersten Sitzung habe ich gesagt: Ich begrüße Sie herzlich, freue mich über die Ehre, hier den Vorsitz haben zu können. Ich bin sicher, dass wir bald zu einem guten Ergebnis kommen, denn wir sind ja alle daran interessiert, dass der Beste oder die Beste die Stelle bekommt. Schallendes Gelächter. Ich dachte, ich hätte mich versprochen oder sonst irgendetwas. Ich habe mich im Nachhinein aufklären lassen, warum alle gelacht haben. Weil ich ernsthaft dachte, es ginge darum. Es geht aber um Politik. Es wird nicht der Beste oder die Beste gesucht, sondern der oder diejenige, die am besten in die jeweiligen politischen Zusammenhänge reinpasst. Ich mache aber auch die Erfahrung, das ich in bestimmten Fragestellungen von meinen eigenen Überzeugungen abkomme, weil ein anderes Argument mir einfach mehr einleuchtet. Insofern bin ich da noch Habermasianer, wenn ich hin und wieder mal merke, es gibt bessere Argumente. Da meine intellektuelle Lust am besseren Argumentieren doch meine Vorurteile überwiegt. Ich glaube, so etwas sollte man eigentlich von Wissenschaftlern und vor allem von Philosophen erwarten. Mir ist es vor allem unerklärlich, wie viele Leute in der Universität politisiert sind. Das ist Gift, es gibt nichts Schlimmeres. Deshalb sind die Amerikaner ganz konsequent, die dann die These verbreiten: Jeder Satz ist politisch, also kannst du gleich knallhart parteipolitisch einsteigen und deine Interessen und die deiner Gruppe vertreten. Ich fände es eigentlich mal schön, wenn dieses Thema so polarisiert werden würde bei uns, aber wer wollte das wirklich? Wollt ihr wirklich wie auf dem amerikanischen Campus diesen Wahnsinn? Oder wollen wir festhalten an der alten Utopie des halbwegs wertfreien Diskutierens, so wie das vor hundert Jahren noch halbwegs selbstverständlich war. In dem Punkt bin ich dann auch sehr konservativ: lieber hundert Jahre zurück.

fatum: Abschließend würde uns noch interessieren, woran sie gerade arbeiten.

Norbert Bolz: Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, das Thema zu knacken, aber ich würde gerne eine Arbeit über Langeweile verfassen. Ich würde das Thema dialektisch aufbauen, ausgehend von der Kulturkritik an der Langeweile. Da würde ich mit dem Ökonomen John Keynes einsteigen, der mal so schön gesagt hat: Langeweile ist das größte Problem des Kapitalismus. Ich würde also erst die Kritik an der Langeweile als Zivilisationsphänomen aufarbeiten, um dann hin zu dem dialektischen Umschlagspunkt zu kommen, an dem Langeweile zur Pforte von Kreativität wird. Ich denke, man kommt nur über eine kultivierte oder ausgehaltene Langeweile zum Philosophieren. Ich finde, dass ist eine schöne Idee, aber ob ich das durchziehen kann, weiß ich noch nicht. Insofern traue ich mich noch nicht von einem Projekt zu sprechen. Aber darüber denke ich gerade nach.


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