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Esperanto, Lojban und andere konstruierte Sprachen |
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Luhmann jeden Tag aufs Neue widerlegen
Kunstsprachen
Esperanto. Das Gefühl des Ekels, wenn wir ein erfundenes Wort mit erfundenen Ableitungssilben aussprechen. Das Wort ist kalt, hat keine Assoziationen und spielt doch ‚Sprache‘. Ein bloß geschriebenes Zeichen würde uns nicht so anekeln.
1
Esperanto. La sento de naŭzo kiam ni diras elpensita vorto kun inventita derivaĵo silaboj. La vorto estas malvarma, ne asocioj kaj teatraĵoj sed ‚lingvo‘. Nur skribita karaktero ne ni stariĝas kiel tio.
— Ludwig Wittgenstein
Internacia lingvo, simile al ĉiu nacia, estas propraĵo socia, kaj la aŭtoro por ĉiam forcedas ĉiujn personajn rajtojn je ĝi.
2
Eine internationale Sprache, wie jede nationale, ist eine soziale Eigenschaft und der Autor verliert alle persönlichen Rechte an ihr.
— Ludwig Zamenhof
Auf eine gewisse Weise sind alle Sprachen erfunden, da jede von Menschen gemacht wurde. Bei den meisten Sprachen zieht sich der Entwicklungsprozess allerdings über viele Jahrhunderte, was zu einem Gefühl der Natürlichkeit führt. Andere Sprachen hingegen wurden tatsächlich mit einer bestimmten Absicht in kurzer Zeit entwickelt. Sie heißen konstruierte Sprachen oder Kunstsprachen.
Diese lassen sich wiederum in verschiedene (Unter-)Kategorien gliedern, wie etwa die der formalen Sprachen aus dem Bereich der Logik und Informatik. Die erste bekannte Verschriftungsmethode einer formalen Sprache ist Gottlob Freges Begriffsschrift von 1879. Sie kann heute als Vorgänger aller Programmiersprachen angesehen werden. Formale Sprachen sind allein schon ein sehr umfassendes Thema, welches bereits ein Gegenstand der zweiten Ausgabe von fatum war.3
Eine andere Art von Kunstsprachen sind Sondersprachen oder Geheimsprachen. Sie werden nur von einem Teil der Mitglieder einer Sprachgemeinschaft verwendet. Beispiele sind Medefaidrin, eine christliche Sprache aus Nigeria, und Damin, die ehemalige Sprache erwachsener Männer auf Mornington bei Australien. Auch selbst erfundene Sprachen von Zwillingen, sogenannte Zwillingssprachen, gehören in diese Kategorie.
Eine weitere Kategorie sind Spielsprachen, die mittels fester Anweisungen die Worte existierender Sprachen umformen. In der Löffelsprache wird beispielsweise an jeden Vokal ein l angehängt, worauf wieder der ursprüngliche Vokal folgt, dann ein v und dann wieder der Vokal. Löffel wird also zu Lölövöffelevel.
Auch fiktionale Sprachen gehören zu den konstruierten Sprachen. Sie sind meist Teil einer fiktiven Welt und kommen im Rahmen von Literatur, Filmen oder Spielen vor. Beispiele sind Quenya und Sindarin, Sprachen der Elben J. R. R. Tolkiens; Klingonisch, Sprache der Bewohner des Planeten Qo’noS in der Fernsehserie Star Trek; Dovahzul (Drachenstimme), die Sprache der Drachen aus The Elder Scrolls V: Skyrimund Neusprech*, eine Sprache, die die Regierung in George Orwells dystopischem Roman 1984 einführt, um Gedankenverbrechen zu verhindern. Vor allem die zwei erstgenannten Sprachen haben mittlerweile große, etablierte Sprachgemeinschaften, womit sie zwar noch fiktional, aber keineswegs mehr fiktiv sind.
Kunstsprachen, die für zwischenmenschliche Kommunikation geschaffen wurden, bezeichnet man als Plansprachen, welcher weiter unterteilt werden können.
Philosophische Sprachen stellen den Anspruch, transzendente Wahrheiten ausdrücken zu können, die von herkömmlichen Sprachen nicht erfasst werden. Ein Beispiel ist Láadan, eine 1982 von Suzette Haden Elgin konstruierte Sprache, die dafür bestimmt ist, Ideen und Bedürfnisse von Frauen möglichst genau auszudrücken.
Logische Sprachen zielen darauf ab, eine möglichst unmissverständliche und auf logischen Prinzipien aufbauende Kommunikation zu ermöglichen. Sie besitzen eine eindeutige Syntax, welche algorithmisch zerlegt werden könnte. Sie sind daher weniger für zwischenmenschliche Kommunikation geeignet, sondern vielmehr für die Verständigung zwischen Mensch und Maschine oder zwischen Maschinen untereinander. In diese Kategorie fallen bspw. Loglan und sein Nachfolger Lojban.
Welthilfssprachen wollen die internationale Kommunikation zwischen Kulturen erleichtern. Deshalb bauen sie auf besonders einfachen Regeln auf, durch die die Sprachen leichter zu erlernen und zu verstehen sind als Ethnosprachen**. Das langfristige Ziel ist es, eine weltweite Verkehrssprache (lingua franca) zu schaffen. Beispiele sind Esperanto und Interlingua.
Kunstsprachen können zudem in a priori und a posteriori Sprachen eingeteilt werden. A priori Sprachen haben ein von existierenden Sprachen unabhängiges Vokabular und eine eigenständige Grammatik. A posteriori Sprachen orientieren sich an bereits existierenden Sprachen.
Esperanto
Ich singe schön. Mi kantas bele
Du singst ein Lied. Vi kantas kanton.
Das Lied ist schön. La kanto estas bela.
Esperanto ist eine Plansprache, die zu den Welthilfssprachen zählt. Sie orientiert sich an bereits bestehendem Vokabular vor allem der romanischen und germanischen Sprachen, besitzt aber eine a priori Grammatik.
Der polnisch-jüdische Augenarzt L. L. Zamenhof veröffentlichte 1887 unter dem Pseodonym „Doktoro Esperanto“, der hoffende Arzt, das erste Buch mit den Grundlagen von Esperanto.4
In seinem Buch formuliert er drei Ziele für Esperanto:
Die Sprache muss sehr leicht sein, so dass sie jeder sozusagen spielend erlernen kann.
Jeder, der diese Sprache erlernt hat, muss sie sofort zum Verkehr mit anderen Nationalitäten einsetzen können, abgesehen davon, in wie fern die Sprache in der Welt anerkannt wird, d. h., dass die Sprache von vornherein infolge ihres besonderen Baues als Mittel zum internationalen Verkehr dienen kann.
Ein Mittel zu finden, die Gleichgültigkeit der Welt zu überwinden und sie zu ermuntern, sofort und en masse von dieser Sprache als einer lebendigen Sprache Gebrauch zu machen, nicht nur im äußersten Notfall.
Esperanto hat heute etwa zwei Millionen Sprecher.5 Es gibt Esperanto-Sprachkurse und seit 2012 kann die Sprache mit Google Translate übersetzt werden. Die ungarische Akademie der Wissenschaften hat festgestellt, dass Esperanto alle Anforderungen einer lebendigen Sprache erfüllt.6
Die Grammatik ist dabei an sich sehr einfach aufgebaut. So verweist bereits die Endung eines Wortes in seiner Grundform auf die entsprechende Wortart. Adjektive enden auf -a, Adverben auf -e, Verben auf -i und Nomen auf -o. Für Verben gibt es sechs Suffixe, drei für die Zeit (Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft) und drei für die Stimmung (Infinitiv/Konditional/Befehl). Sie werden nicht an Person oder Numerus des Subjekts angepasst. Zudem gibt es keine unregelmäßigen Verben.
Adjektive richten sich in der Deklination nach ihrem Nomen. Hierfür gibt es nur zwei Fälle: die Verwendung als Subjekt und als Objekt. Mit Singular und Plural ergeben sich also jeweils vier Formen, welche ebenfalls immer nach analogen, einfachen Regeln gebildet werden. Des Weiteren ist die Stellung der Worte im Satz sehr ungebunden. Das ermöglicht es Lernenden, eine für sie aufgrund ihrer Muttersprache „natürliche“ Reihenfolge zu wählen.

Lojban
mi tavla le vecnu le blari’o = I talk-to the seller about the blue-green-thing
Lojban ist eine logische a priori Sprache mit einer eindeutigen Syntax. Sie wurde von der Logical Language Group entwickelt und ist der Nachfolger von Loglan, einer in den 50er-Jahren von Dr. James Cooke Brown konstruierten Sprache mit dem Ziel, die Sapir-Whorf-Hypothese*** zu testen.
In der offiziellen Beschreibung der Grammatik von Lojban findet sich eine Darstellung ihrer besonderen Eigenschaften:7
- Sie ist nutzbar für Kommunikation zwischen Menschen und möglicherweise Computern. Dabei ist sie kulturell neutral.
- Ihre auf der Prädikatenlogik basierende Grammatik ist eindeutig und doch flexibel.
- Die Rechtschreibung ist einfach, da phonetisch, und dem Sprachfluss können eindeutig Worte zugeordnet werden.
- Sie ist leicht zu erlernen, da sie zum Beispiel keine Unregelmäßigkeiten gibt.
- Sie besteht aus 1300 Grundworten (gismu), die leicht miteinander kombiniert werden können (und sollen), um Millionen von kombinierten Worten (lujvo) zu formen.
Lojbans bedeutungstragende Worte (brivla) werden nicht in Verben, Substantive usw. unterschieden. Stattdessen wird ihre Bedeutung von ihrer Verwendung bestimmt. Die grundlegende Struktur einer Aussage (bridi) wird in der folgenden Grafik8verdeutlicht.

Als sumti werden häufig Pronomen oder Namen verwendet. Sie haben weder Numerus noch Genus.
selbri stellen die Beziehung zwischen den sumti her. Ihre Struktur wird im Wörterbuch definiert. Ein Beispiel ist tavla: x1 (talker) talks to x2 (audience) about x3 (topic) in language x4. Die mit xi markierten Positionen können dann mit passenden Argumenten gefüllt werden.
Worte aus Lojban folgen strengen Regeln ihre Form betreffend. Deshalb kann man an der Abfolge von Konsonanten und Vokalen ablesen, welche Art von Wort man vor sich hat. Dies erleichtert auch das Bilden neuer Kompositionen, da der Gesprächspartner sie sofort einordnen kann.

selbri nutzen prinzipiell keinen Tempus, es können aber über Strukturwörter (cmavo) optional Zeitangaben hinzugefügt werden.
Obwohl Lojban aufgrund seiner besonderen Struktur zuerst etwas gewöhnungsbedürftig ist, bietet diese den einzigartigen Vorteil, dass sie auf logischen Regeln aufbaut und potentiell von Computern gelesen werden kann.
Esperanto wirkt hingegen natürlicher und ist für Menschen leicht zu verstehen. Es bleibt allerdings fraglich, ob es Englisch als Weltsprache ersetzen wird. Wenn nicht, bleibt es lediglich eine weitere unpräzise, menschliche Sprache.
- Ludwig Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen – Eine Auswahl aus dem Nachlaß (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1978), 103.
- Ludovic L. Zamenhof, Dr. Esperanto’s International Language (1889), http://www.genekeyes.com/Dr_Esperanto.html (aufgerufen: 13. September 2016).
- Felix Reuß, Logik und Form. Über die Krux der Kommunikation anhand formaler Sprachen. in fatum 02, (München: Juni 2015).
- Ludovic L. Zamenhof, Dr. Esperanto’s International Language. (a.a.O.)
- Mike Urban, How many people speak Esperanto?, http://www.esperanto.net/veb/faq-5.html (aufgerufen: 11. September 2016).
- http://www.eszperanto.hu/viva-kep5.htm (02. November 2016).
- John W. Cowan, The Complete Lojban Language (1997), http://lojban.github.io/cll/(aufgerufen: 13. September 2016).
- ibid.
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