Gewinner der Karl Max von Bauernfeind-Medaille 2016
Dialog
fatum 5 | , S. 66
Inhalt

Lasst die Väter mitreden!

Eine Emanzipation der Mütter kann nur gelingen, wenn auch die Väter an der Diskussion beteiligt werden

Bei der Diskussion um Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht es meistens nur um die Mütter, Väter kommen kaum zu Wort. Es wird eher nach Schuldigen gesucht, als über eine positive Zukunftsgestaltung nachzudenken. Genauso bei Orna Donath, deren Studie (Regretting Motherhood: A Sociopolitical Analysis, 2015) die Debatten im Internet und in deutschen Medien wieder neu entfacht hat. Donath hat zwischen 2008 und 2011 israelische Frauen interviewt, die es bereuen, Mutter geworden zu sein. Könnten sie die Zeit zurückdrehen, würden sie sich nicht noch einmal für Kinder entscheiden. Ihre Studie hat auch in Deutschland für große Aufregung gesorgt. Gibt es wirklich Mütter, die ihre Mutterschaft bereuen? Dürfen Mütter öffentlich über ihre Reue sprechen? Welche Auswirkungen hat das auf ihre Kinder? Donath geht es, laut eigener Aussage in erster Linie um das Phänomen der Reue, dabei seien die Rahmenbedingungen gar nicht entscheidend1. Donaths Studie hat ihre Argumente noch einmal ausführlich in einem Buch veröffentlicht, unter dem Titel: #regretting motherhood: Wenn Mütter bereuen.

Orna Donath beschreibt zudem die mit Reue verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen. Man dürfe einen Schwangerschaftsabbruch bereuen, nicht aber ein Kind bekommen zu haben. Die Reue in Bezug auf einen Schwangerschaftsabbruch sei das Werkzeug der Gesellschaft, um Frauen von einem solchen abzuhalten. Wenn nun Frauen aber bereuen, Mutter geworden zu sein, rufe das Empörung hervor.

Eine Form der gesellschaftlichen Instrumentalisierung von Reue besteht darin, sie den Frauen wie eine Waffe an die Schläfe zu halten, um ihnen zu drohen, sie einzuschüchtern, wieder auf den rechten Weg zu bringen und über sie bestimmen zu können. Diese Drohung wurzelt in der Annahme, dass Frauen von Natur aus mit ihrer Schwangerschaft zutiefst verbunden sind, dass alle Frauen ein angeborenes Verlangen nach Mutterschaft empfinden und das jede Schwangerschaft mit der Geburt ihre Erfüllung finden muss – und dass sie es folglich bereuen werden, eine Schwangerschaft abgebrochen zu haben.2

Muttersein mache nicht automatisch glücklich. Man könne genauso bereuen, Mutter geworden zu sein, wie jede andere Entscheidung oder Entwicklung im Leben. Nur würde Frau geächtet, wenn sie öffentlich zugibt ihre Mutterschaft zu bereuen. Warum das so ist, wollte Orna Donath in ihrer qualitativen Sozialstudie untersuchen. Das Ergebnis ist eine Sammlung von Interviews und ihrer persönlichen Einschätzung. In ihrem Buch hat sie dieselben Aussagen nochmal wiederholt. Donath gibt der Gesellschaft die Schuld an der oft belastenden Mutterschaft. Der gesellschaftliche Druck, Kinder zu bekommen, sei hoch und die Erwartungen und Ansprüche an die Versorgung und Betreuung der Kinder raube Frauen ihre Selbstständigkeit. Beides zusammen bringe einige Mütter dazu, ihre Mutterschaft im Nachhinein zu bereuen. Besonders in ihrem Heimatland Israel herrsche ein extremer gesellschaftlicher Druck, Kinder zu bekommen. Der Druck zeigte sich 2014 in einer Geburtenquote von durchschnittlich drei Kindern pro Frau. Deutsche Frauen bekamen im selben Jahr weniger als halb so viele Kinder.3 Die meisten Frauen würden von klein auf dazu erzogen, Mutter zu werden. Sie seien jedoch unzureichend darüber aufgeklärt, was es bedeute, Kinder großzuziehen.

Altes Schwarz-Weiß Bild einer Gruppe lachender Kinder.
Spielende Kinder, Quelle: Weigelt, Creative Commons BY-SA 3.0

Die von Donath interviewten Frauen leiden unter festgefahrenen Geschlechterrollen, einer Gesellschaft, die Frauen auf ihre Mutterschaft reduziert und dabei ihre Bedürfnisse ignoriert. Müttern würde ständig vorgeschrieben, wie sie sich zu verhalten hätten, um gute Mütter zu sein. Mutterschaft ist keine Privatsache. Mütter stehen permanent und restlos in der Öffentlichkeit.4

Allein schon der Ausdruck gute Mutter oder Rabenmutter lasse erkennen, dass es ein starkes Wertungskonzept gibt. Frauen müssten sich eben anstrengen, gute Mütter zu sein und die Anforderungen seien extrem hoch. Es bedarf also – wie Donath zurecht fordert – einer veränderten Arbeitsteilung in Bezug auf die Kinderbetreuung unter stärkerer Einbeziehung der Väter, damit die Elternschaft nicht auf die dyadische Mutter-Kind-Beziehung beschränkt bleibt.5

Eine emanzipatorische Lösung ist bei Donath jedoch unmöglich: Sie stellt die interviewten Frauen als wehrlose „Opfer“ dar, die nicht selbst in der Lage sind, ihre Probleme zu lösen, vielmehr müsse die gesellschaftliche Wahrnehmung von Mutterschaft verändert werden.6 Sie nimmt damit den bereuenden Müttern die Verantwortung und die Möglichkeit, selbst etwas an den Umständen zu ändern, solange die Gesellschaft keine Einsicht zeigt.

Wer ist eigentlich die Gesellschaft, die laut Donath bestimmt, dass nur Frauen von Natur aus in der Lage sind, Kinder großzuziehen? Donath gewinnt ihre Erkenntnisse über die Gesellschaft aus Forenbeiträgen á la irgendwann ist der Zug abgefahren und dann wirst du bereuen, keine Kinder bekommen zu haben. Ist das eine wissenschaftliche Arbeitsweise, in der Kommentare aus dem Internet als einziger Beleg für die allgemeine gesellschaftliche Grundeinstellung herbeigezogen werden? Es ist eher eine sehr einseitige Betrachtungsweise. Es mag sein, dass solche Ansichten bei vielen Menschen auch außerhalb des Internets vorhanden sind. Aber die Gesellschaft besteht aus mehr als nur Foren- und Blogbeiträgen. Der Soziologe und Systemtheoretiker Niklas Luhmann zum Beispiel beschreibt die Gesellschaft als Gesamtheit aller Kommunikation, also allem, was gesprochen und geschrieben wird und wurde.

Um die Meinung der Gesellschaft wiedergeben zu können, bedarf es hoffentlich mehr als nur der Untersuchung einschlägiger Internetforen. Noch dazu ist die Gesellschaft kein statisches Konstrukt, sondern ständigen Veränderungen ausgesetzt. Donath aber zeichnet das starre Bild einer Gesellschaft, die Frauen seit Jahrhunderten dazu zwingt, Kinder zu bekommen und diese ohne Rücksicht auf ihre eigenen Bedürfnisse zu bemuttern. Dadurch vernachlässigt Donath den Aspekt der Reue und konzentriert ihre Analyse auf subjektive schlechte Erfahrungen mit der Gesellschaft.

Das gesellschaftliche Zusammenleben muss ununterbrochen neu organisiert werden, weil täglich neue Menschen hinzukommen und ihre Andersartigkeit mitbringen. Für Hannah Arendt ist eben dies die Grundlage für politisches Handeln: Weil unterschiedliche Interessen bestehen, muss das Zusammenleben immer wieder neu ausdiskutiert und organisiert werden. In der Diskussion um die bereuenden Mütter wird ausgehandelt, wie wir mit solchen Situationen umgehen wollen. Die politische Umsetzung folgt idealerweise daraufhin.

Ein Mann mit einem Kind auf dem Arm an einer Küste.
Vater mit Kind: Unsplash, Public Domain

Donath hat ein Phänomen aufgedeckt, dass sich zu untersuchen lohnt. Was ist Reue, vor allem im Bezug auf die Mutterschaft? Ist Reue endgültig? Wie kommt es, dass so viele Menschen empört reagieren, wenn eine Frau bekannt gibt, dass sie bereut Mutter geworden zu sein? Leider geht Donath darauf nicht weiter ein, sondern fällt über die verständnislose Gesellschaft her und findet dafür starke Überschriften wie Das Diktat der Gesellschaft gegen die Erfahrung der Mütter.7

Leider entfernt sie sich im Rahmen ihrer Untersuchung wieder vom Phänomen der Reue und gelangt abermals zu den Rahmenbedingungen der Mutterschaft, bzw. dem Zwang der Gesellschaft von dem sich Frau befreien muss, obwohl diese, ihrer eigenen Aussage nach, bei der Reue keine Rolle spielen.

Wir müssen die Wege bahnen. Wir müssen. Wir sind die Frauen, die die Welt in unsere Hände nehmen müssen, anstatt uns von ihrem Gewicht niederdrücken zu lassen. Wir sind die Frauen, die selbst über ihre Körper und ihr Leben verfügen müssen, wir sind die Besitzerinnen unserer Gedanken, Gefühle und Vorstellungen. Denn ohne das wird es keine Besserung geben.8

Ja, es liegt auch an den Frauen die Welt, oder zumindest ihre eigenen Lebensbedingungen zu ändern. Aber wir sind nicht nur Frauen, sondern wir sind Menschen in Beziehungen zu anderen Menschen. Menschen in Partnerschaften, Familien und anderen Lebensmodellen. Es liegt nicht an uns Frauen allein, die Dinge in die Hand zu nehmen. Es wäre zielführender Männer, Väter und Partner an der Hand zu nehmen und die Kinder öfter mal aus der Hand zu geben. Vielleicht ist das eigentliche Problem der bereuenden Mütter, dass sie nicht loslassen können.

Von den 23 interviewten Frauen, waren nur die Hälfte alleinerziehend und keine war es von Anfang an, trotzdem kommen die Väter in den Interviews nicht vor. Für den Dialog der Geschlechter sollten auch die Männer zu Wort kommen. Lange Zeit waren die Väter an der Kindererziehung nicht beteiligt. Seit dem 18. Jahrhundert, mit der Industrialisierung und der Urbanisierung verließen die Väter nach und nach ihre Familien, um tagsüber den Unterhalt für die Familie zu verdienen. Der Wert des Vaters wird seitdem an seinem beruflichen Erfolg gemessen. Während und nach den Weltkriegen mussten viele Frauen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, da ihre Männer im Krieg gefallen waren oder berufsunfähig heimkehrten. Später galt es als wohlhabend und modern, wenn Mann für seine Familie so gut verdiente, dass die Frau daheim bleiben konnte.

Und heute? Mittlerweile ist es fast selbstverständlich geworden, dass Väter bei der Geburt ihrer Kinder dabei sind. Immer mehr Väter fordern Teilhabe an der Erziehung ihrer Kinder, manche übernehmen sie sogar komplett als allein-erziehende Väter. Sie wollen dabei sein, wenn die Kleinen laufen lernen und ihre ersten Worte sprechen. Aber auch für sie sind die politischen und sozialen Bedingungen suboptimal. Väter gelten noch immer als Haupternährer ihrer Familie und in vielen Unternehmen wird es nicht gern gesehen, wenn Väter Auszeiten für ihre Kinder fordern. Dabei sind familienfreundliche Strukturen besonders für Väter notwendig, damit sie sich gleichberechtigt an Arbeit, Kinder und Haushalt beteiligen können. Das Modell der Vollzeitarbeit macht ein gleichberechtigtes Familienleben schlicht unmöglich.

Um die Bedingungen von Müttern und Vätern zu verbessern bedarf es einer fairen Debatte, die alle beteiligt. Weder Donaths Studie über bereuende Mütter, noch die daraufhin geführte allgemeine Diskussion bietet sinnvolle Lösungsansätze. Für politisches Handeln braucht es eine Debatte unter allen Beteiligten. Das muss dringend nachgeholt werden, damit aus dem Monolog ein Dialog wird, der Erfolg haben kann!


  1. Interview mit Orna Donath, Es geht immer nur um die Kinder (taz, 14. April 2016).
  2. Orna Donath, #regretting motherhood. Wenn Mütter bereuen (München: Albrecht Knaus, 2016), 85f.
  3. Geburtenrate 2014: Deutschland 1.4, Israel 3.1 [Kinder pro Frau]. http://data.worldbank.org/indicator/SP.DYN.TFRT.IN.
  4. Orna Donath, 57. (a.a.O.)
  5. ibid., 223f.
  6. ibid., 224.
  7. ibid., 27.
  8. ibid., 258, Hervorhebungen aus dem Original.

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Hört auf die Mütter

Samuel Pedziwiatr

In ihrer Rezension übt Lisa Krammel scharfe Kritik am Buch #regretting motherhood. Wenn Mütter bereuen (2016) der Soziologin Orna Donath. Wie erwähnt wird, hat die Studie über Frauen in Israel, die es bereuen Mütter geworden zu sein, eine hitzige Debatte besonders in Deutschland ausgelöst.

Meines Erachtens ist die Darstellung des Buchs im Artikel nicht fair. Einige Stellen, die ich irreführend oder verzerrend finde, möchte ich herausgreifen, ohne zu spezifischen Thesen oder Methoden Donaths persönlich Stellung zu beziehen.

 

Der erste Vorwurf ist, dass das Buch sein Thema verfehlt hätte: Orna Donath schaffe es nicht, die Reue effektiv zu thematisieren, sondern sie verfalle einer Suche nach Schuldigen in der Gesellschaft und stelle Frauen dadurch als „wehrlose ‚Opfer‘“ dar.

Diesen Eindruck teile ich nicht. Orna Donath erklärt bereits in der Einleitung ihres Buchs, was sie unter bereuter Mutterschaft fasst und in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung stellt: „Bei der Reue geht es nicht um die Frage: Wie kann ich mich mit der Mutterschaft arrangieren?, sondern um die Erkenntnis, Mutter zu werden, war ein Fehler.“[1]

Donath zielt darauf ab, herauszufinden, wie es in der Gesellschaft zu dieser Reue kommt, wie sich diese Reue äußert und was sie für Folgen hat. Die rhetorische Frage „Wer ist eigentlich die Gesellschaft […]?“ ist kein Einwand gegen Regretting Motherhood im Speziellen und lenkt vom soziologischen Befund Donaths ab, dass Reue bei Müttern auch in modernen Gesellschaften wie Israel und Deutschland weithin als jenseits des Gesunden, Normalen, gesellschaftlich Akzeptablen abgestempelt wird:

„Bezieht sich die Reue auf die Mutterschaft, so hat sie keine Sprache und wird als eine emotionale Haltung angesehen, die außerhalb der Bandbreite normaler Reue liegt, die wir Menschen empfinden können. Folglich wird kaum jemals erwähnt, wenn eine Frau bereut, Mutter geworden zu sein, weder in der öffentlichen Debatte noch in der interdisziplinären theoretischen und feministischen Literatur über die Mutterschaft.“[2]

Das heißt natürlich nicht, dass Väter nicht in Dialogen zur Erziehung beteiligt sein sollten. Die Frage nach aktiv eingebundener Vaterschaft in der Kindererziehung oder Elternschaft allgemein – bei der man auch die LGBT-Gemeinschaft mit einbeziehen sollte[3] – ist aber zunächst eine andere als die, mit der sich Donath auseinandergesetzt hat. Im Appell, die Väter zu Wort kommen zu lassen, wird nicht erwähnt, dass Donath selbst von 2008-2011 für ihre Forschung auch Väter interviewt hat, ihre Studie allerdings bewusst auf bereute Mutterschaft begrenzt.[4]

 

Mit ihrer Fragestellung steht Donath vor der Herausforderung, etwas wissenschaftlich zu thematisieren, für das es noch kein Vokabular gibt. Hieran knüpft ein weiterer, mit dem ersten verwandter Kritikpunkt der Rezension: Donaths Vorgehen sei unwissenschaftlich. Das Buch Regretting Motherhood setzt sich solchen Angriffen insofern aus, als Donaths Studie nur eine begrenzte Anzahl an Studienteilnehmerinnen vorweist[5], sich auf qualitative Untersuchungsmethoden wie Interviews stützt und Graue Literatur wie Internetblogs mit einbezieht. Psychologische Laborexperimente, die von persönlicher Lebensgeschichte und sozialem Kontext der Versuchspersonen abstrahieren, sieht Donath als unzureichend für die Erklärung der bereuten Mutterschaft. In ihren Interviews versucht Donath subjektive Aspekte zu beleuchten, und achtet auf emotionale Äußerungen ihrer Gesprächspartnerinnen. Außerdem hat Donath – entgegen verbreiteten Forschungsnormen – persönliche Fragen der Teilnehmerinnen an sie selbst beantwortet.[6] Diese bewusste Thematisierung und Integration von Subjektivität mag ungewöhnlich für eine wissenschaftliche Arbeit wirken, doch Donath liefert dafür Begründungen und stützt sich in ihrer Forschung unter anderem auf Sozialphilosophie und feministische Literatur.

Es läge an der Kritik, in Auseinandersetzung mit dem Vorgehen Einwände zu formulieren. Die Ablehnung der Methoden Donaths bleibt unverbindlich, solange keine Kriterien der Wissenschaftlichkeit angeführt werden. Wissenschaft findet nicht nur im Labor statt und endet nicht mit zitierfähiger Literatur. Entscheidend ist nicht nur was untersucht wird, sondern auch wie und vor dem Hintergrund welchen Erkenntnisinteresses. Donath hat nicht das Interesse, aus ihren Interviews auf psychologische Gesetze zu generalisieren, sondern sie möchte eine Vielfalt an Mutterschaftserfahrungen widerspiegeln und den Müttern selbst erlauben, zu Wort zu kommen, um „eine komplexe Wegekarte zu zeichnen, die es Müttern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten ermöglicht, sich darauf selbst zu verorten“[7].

Vor diesem Hintergrund wirkt der Schluss der Rezension „Vielleicht ist es das eigentliche Problem der bereuenden Mütter, dass sie nicht loslassen können“ nach einem fragwürdigen Versuch, alle bereuenden Mütter in einer schweifenden Generalisierung psychologisch zu erfassen. Darüberhinaus impliziert die Formulierung, dass die „Suche nach Schuldigen“ für die Bereute Mutterschaft letztlich in der Rezension selbst wieder bei den Müttern endet. Dass bereute Mutterschaft gleichzusetzen sei mit einem Versagen als Mutter, ist ein Vorurteil, das Donath bekämpft.[8]

 

Orna Donaths Regretting Motherhood untersucht Mechanismen von Tabuisierung, Sozialdruck und Benachteiligung. Das Buch zeichnet dabei nicht „das Bild einer starren Gesellschaft“, sondern deutet auf Missstände, die adressiert werden müssen. Regretting Motherhood hat dadurch Grundlagen für einen Dialog geschaffen, der dazu beitragen kann, dass die Gesellschaft gerechter wird. Davon würden wohl alle Eltern und Kinder profitieren.

 

 


[1] Orna Donath, #regretting motherhood. Wenn Mütter bereuen (München: Knaus Verlag, 2016), S. 15

[2] S. 11.

[3] Vgl. Bryan Frederick, „Equality, Truth, and the American Dream. Where do “the Gays” fit in?“, fatum, Dezember 2015, http://www.f-mag.de/03-30">www.f-mag.de/03-30

[4] Vgl. Donath, S. 17, Fußnote.

[5] Was Donath mit auf die mit der Thematik verbundene Stigmatisierung zurückführt, vgl. S. 18.

[6] Vgl. S. 20ff.

[7] S. 21.

[8] Vgl. S. 13f.

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Kommentar 2

Lisa Krammel

Lieber Samuel,

vielen Dank für deine kritischen Worte! Vor allem vielen Dank für deinen Hinweis, dass Orna Donath auch Männer für ihre Forschung interviewt hat, das ist mir bisher entgangen. Gerade die Einstellung der Väter zu diesem Thema interessiert mich besonders. Was sagen die Väter zu den bereuenden Müttern? Gibt es auch Väter die bereuen?

Die deutsche Autorin Sarah Fischer hat ihr Buch zur Regrettingmotherhood-Debatte mit den Worten untertitelt: „Warum ich lieber Vater geworden wäre.“ Ist Vatersein einfacher? Wird von Vätern weniger erwartet? Mein Gefühl sagt ja. Aber kann das auch belegt werden? Mit Interviews und Umfragen? Durch die Analyse von Texten aus dem Internet und der aktuellen Presse? Wie hat sich das Bild von Vater und Mutter verändert?

Ich kritisiere die subjektive Herangehensweise von Orna Donath nicht, sondern bezweifle sogar stark, dass es so etwas wie eine objektive Herangehensweise überhaupt gibt. Erst recht in Geschlechterthemen kann eine Frau genauso wie ein Mann keine objektive Haltung annehmen. Orna Donath erklärt ihr Interesse an dem Thema aus eigener subjektiver Erfahrung: Sie habe sich bewusst dafür entschieden, nicht Mutter zu werden und sei damit auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen ist. Ich stimme dir zu, dass Donath in ihrer Einleitung die Problematik sehr eindeutig thematisiert. Es geht ihr eben nicht darum, wie sich Frauen mit ihrer Mutterschaft arrangieren können, sondern um Frauen, die lieber nicht Mutter geworden wären. Es geht um Reue. Du schreibst, „Donath zielt darauf ab, herauszufinden, wie es in der Gesellschaft zu dieser Reue kommt, wie sich diese Reue äußert und was sie für Folgen hat.“ Genau das hätte ich gerne in ihrem Buch gelesen. Zu dieser Gesellschaft gehören für mich eben auch Väter. Aber was ich in den weiteren Kapiteln von Donath gelesen habe, ist eine Wiederholung von schlechten Erfahrungen von Frauen. Mir mangelt es dort an Vielfalt. Du schreibst, Donath wolle eine „Vielfalt an Mutterschaftserfahrungen widerspiegeln“. Wo siehst du diese Vielfalt? Ich lese bei Donath immer wieder die gleichen tragischen Lebensgeschichten aus gescheiterten Ehen, über Frauen die alleine gelassen wurden oder ihre Männer verlassen haben (viele der Frauen sind von den Vätern ihrer Kinder getrennt). Die Konstellationen sind unterschiedlich, manche Mütter haben ihre Kinder an die Väter abgegeben, die einen sind schon Großmütter, die anderen noch mit Babys beschäftigt aber trotzdem sind das keine unterschiedlichen Mutterschaftserfahrungen sondern immer nur Erfahrungen des gleichen Leids und geben eine sehr eingeschränkte Sicht auf die Problematik wieder.

Donath stellt zwar die Reue thematisch vorne an, aber eigentlich habe ich das Gefühl es geht ihr vielmehr um die überzogenen Erwartungen der Gesellschaft. Das sind die Rahmenbedingungen der Reue. Sehr interessant, aber laut eigener Aussage, geht es ihr darum nicht. Doch kritisch will ich gar nicht sein, denn die Erwartungen, von denen sie spricht, sind ein sehr wichtiges Thema, das unbedingt analysiert werden muss. Die Methode ist mir dabei fast egal, es geht mir vor allem um die Perspektive. Eine wissenschaftliche Studie über ein sozialgesellschaftliches Problem sollte meiner Meinung nach den Anspruch haben, möglichst von außen auf ein Problem zu schauen, sich selbst einzuordnen und zu reflektieren. Also auch wenn die Autorin von der Problematik selbst unmittelbar betroffen ist, kann Sie untersuchen, woher ihre eigenen Gefühle kommen und auch woher die Erwartungen der Gesellschaft kommen, die sie wahrnimmt. Warum erwarten so viele Menschen von einer Frau, dass sie mindestens ein Kind bekommt? Woher kommt dieses Ideal? In wieweit ist jede Person, ob Mann oder Frau in der Lage mit solchen Erwartungen umzugehen? Wie sehr bestimmen sie das eigene Wertgefühl? Und vor allem die Reue? Warum haben viele Menschen ein Problem damit, wenn Frauen öffentlich bekunden, dass sie ihre Mutterschaft bereuen? Woher kommt diese Tabuisierung?

Ja, Donaths Buch spricht Mechanismen von Tabuisierung an, auch sozialen Druck und Benachteiligung. Donath adressiert bestehende Missstände. Ich stimme dir zu, dass es sehr wichtig ist, diese Missstände anzusprechen. Auch stimme ich dir zu, dass mein Schluss etwas vorschnell war und sicher nicht die Lösung des Problems ist. Es ist überhaupt nicht meine Absicht, „alle bereuenden Mütter in einer schweifenden Generalisierung psychologisch zu erfassen“. Psychologisch schon gar nicht. Aber ich bleibe bei meiner Aussage, dass Donath diese Frauen als wehrlose Opfer darstellt. Eine Frauen in ihrem Buch sagt sogar, sie bereue es unabhängig von den äußeren Bedingungen Mutter geworden zu sein. An ihrer Reue ist nichts zu ändern. Das ist für mich keine Grundlage für einen Dialog. Die Missstände werden dargestellt, aber was ist die Alternative? Was muss sich ändern, damit Frauen nicht mehr bereuen müssen, Mutter geworden zu sein? Welche Wünsche haben die Frauen? Was erwarten sie selbst von einer angenehmen Gesellschaft? Unter welchen Umständen würden die Frauen nicht bereuen, Mutter geworden zu sein?

Dazu würde ich gerne auch etwas mehr über die Väter wissen, denn zu einem Kind, finde ich, gehören immer auch zwei. Zumindest wäre das schön. Was sagen die Väter, wenn die Mütter bereuen, Mutter geworden zu sein? Noch immer bewegen wir uns im klassischen Familienmodell von Vater und Mutter. Darüber, dass es immer mehr auch ganz andere Modelle gibt, muss auch gesprochen werden, denn auch diesen Modellen stehen festgefahrene Erwartungen und Ideale im Wege.

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